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Von (14.12.2008)
Predigt zum 3. Advent 2008
Wartezeiten können kostbar sein.
Quelle: pixelio.de
„Bist Du es oder sollen wir
auf einen anderen warten? Dies ist die Frage eines Menschen, der dem Tode
entgegen sieht. Johannes der Täufer ist im Gefängnis und er wird nie wieder
frei kommen. Er muss mit seinem Leben abschließen. Wofür hat er gelebt? Was hat
er bewirkt? Worauf läuft alles hinaus? Die Fragen nach dem Sinn seines Lebens,
das nun bald vorbei sein wird, läuft auf eine einzige Frage hinaus, die er
Jesus stellen lässt: „Bist Du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen
anderen warten?"
Bist Du es, oder soll ich
noch warten? Diese Frage begegnet jedem Menschen einige Male im Leben. Immer
dann, wenn es um etwas wirklich Entscheidendes geht. Soll ich diesen Beruf
ergreifen oder mir lieber noch etwas anderes überlegen? Soll ich diesen
Menschen heiraten oder ist er vielleicht doch noch nicht der Richtige? Ziehe
ich in diese Wohnung oder warte ich lieber noch ein paar Angebote ab?
Mit Zaudern und Zögerlichkeit
haben solche Fragen nichts zu tun. Auch Johannes der Täufer ist eigentlich ein
entschlossener Mann. Als Sohn des Priesters Zacharias und der Elisabeth kennt
er sich auch in der Religion gut aus. Er wächst im Bergland auf und im Jahre 27
und 29 zur Zeit des Herodes beginnt sein öffentliches Wirken in der Wüste am
Jordan. Dort steht er jetzt im Kamelhaarmantel, lebt nur von Heuschrecken und
wildem Honig und ruft zur Umkehr auf. Das Ende aller Zeit sieht er als nahe
herbeigekommen, jetzt ist der Moment da, Buße zu tun und sich für Gott zu
entscheiden. Jeder Baum, der keine gute Frucht bringt, soll abgehauen werden.
Nein, Johannes der Täufer ist wirklich kein zögerlicher Mensch mit
Entscheidungsschwierigkeiten.
Wen er als Heuchler ansieht,
nennt er falsche Schlangebrut. Die Selbstsicherheit der religiösen Elite macht
ihn wütend. Und er sagt klar, was zu tun ist: Wer zwei Hemden hat, gebe eins
ab. Wer Zöllner ist, nehme nicht zu viel Geld. Wer Soldat ist, tue niemandem
Gewalt und Unrecht an. Johannes steht in der Reihe der Propheten, die die
sozialen Missstände seiner Zeit kritisieren und die Gottlosigkeit anklagen. Das
kostet ihn seinen Kopf. Er kritisiert die Heiratspolitik des Herodes, der die
Frau seiner Bruders geheiratet hatte. Diese stiftet ihre Tochter Salome da an,
nach einem bezaubernden Tanz den Kopf von Johannes zu verlangen. Vielleicht ist
es diese kritische Klarheit, die Johannes das Leben gekostet hat.
Wahrscheinlicher jedoch ist, dass Herodes die Beliebtheit des Propheten und die
wachsende Anhängerschaft zu bedrohlich wurde.
Johannes ist kein Mensch mit
Zaudern und Zögerlichkeit. Und gerade er stellt diese Frage „Bist Du es, oder
sollen wir noch warten?". Dass die Bibel uns diese Frage überliefert, hat etwas
sehr Befreiendes. Viele Menschen stellen sich eine ähnliche Frage, wenn es um
die wichtige Lebensentscheidung geht: Worauf kann ich mich verlassen? Welchen
Weg soll ich einschlagen?
Und woran soll ich glauben?
Ist Jesus wirklich der, der von Gott als Sohn gesandt wurde? Soll ich mich ihm
anvertrauen? Soll ich überhaupt an Gott glauben oder an etwas anders oder an
nichts? Ist jeder Mensch nur selbst für sein Leben verantwortlich, oder ist
Gott an meiner Seite? Soll ich mich für Gott und seinen Sohn Jesus Christus
entscheiden? Es geht hier nicht um Bagatellen, sondern um Weichenstellungen für
unser Leben. Johannes stellt solche Fragen in dem Moment, als er sein Ende vor
Augen hat. Wir stellen solche Fragen, weil wir wissen, dass unser Leben endlich
ist und wir dieses Leben bewusst und entschieden führen wollen. Deshalb sind
solche Fragen gut und wichtig. Sie sind kein Zeichen von Schwäche. Wer solche
Fragen stellt, macht sich echte Gedanken über sein Leben und ist auf der Suche
nach einem tragfähigen Weg. Dazu ermutigt die Frage des Johannes.
Die Antwort Jesu ist
allerdings merkwürdig. Ein einfaches „Ja, ich bin es!" hätte ja auch gereicht. „Blinde
sehen und Lahme gehen. Tote stehen auf und den Armen wird das Evangelium
gepredigt." Es kommt also darauf an, die Zeichen zu sehen und richtig zu
deuten. Jesus weiß, dass man Zeichen leicht auf die Äußerlichkeiten reduziert.
Wenige Zeilen später wird er
den Leuten vorhalten: Johannes hat nichts Richtiges gegessen und getrunken und
ihr habt gesagt, er ist verrückt. Der Menschensohn Jesus isst und trinkt und
jetzt sagt ihr, er sei ein Fresser und Weinsäufer, ein Freund der Zöllner und
Sünder." So ergeht es den Menschen, wenn sie nur auf die Äußerlichkeiten sehen
und den inneren Sinn nicht verstehen. Solche Menschen stellen vielleicht nicht
einmal wirklich die wirkliche Frage nach Gott und dem, was ihr Leben wirklich
tragen kann.
Gottes Wirken lässt sich
nicht beweisen und objektiv darstellen. Und das muss so sein. Denn andernfalls
wäre Gott ein Ding unter vielen, das ich sehen und begreifen kann und mir damit
verfügbar machen könnte. Gott, weil er Gott ist, übersteigt aber alles, was wir
Menschen mit unseren Sinnen erfassen können. Er ist das Geheimnis hinter allem.
Und trotzdem zeigt sich Gott, und den Weg, den er dazu wählt, sind die
Erfahrungen, die Menschen mit ihm machen. Nie wird Gott in der Bibel bildlich
beschrieben, nie sieht ihn jemand, aber es wird davon berichtet, dass Menschen
ihn erfahren. Und solche Erfahrungen können wir auch machen und machen sie
auch.
Gott ist bei jedem Menschen,
und deshalb machen wir auch alle Gotteserfahrungen, wenn wir die Zeichen Gottes
in unserem Leben deuten. Gestern haben wir Kindergottesdienst gefeiert. Wenn da
40 Kinder zwischen 4 und 14 zusammenkommen, ist manchmal ganz schön was los.
Jedes Kind hat eine Kerze angezündet und in seiner Hand gehalten. Wir standen
im Kreis und dachten vor Gott an jemanden, der uns wichtig ist. Für ein paar
Sekunden war es vollkommen still. Das ist für mich eines der vielen Zeichen.
Ich habe es oft erlebt, dass gerade in den Momenten, in denen ich kraftlos und
müde war, plötzlich Menschen in mein Leben getreten sind, die mir neuen Mut
gegeben haben. Und noch viel, viel häufiger haben Menschen mir von den Spuren
Gottes in ihrem Leben erzählt. Von Zeichen, die sie gedeutet haben oder die wir
gemeinsam zu deuten versucht haben. Wenn ich allein an dieses Jahr zurückdenke,
an die Entstehung des Familienzentrums und andere wichtige Projekte, dann war
zu spüren, dass trotz mancher Schwierigkeiten Gott dabei war. Beweise gibt es
dafür natürlich keine. Und jeder macht andere Erfahrungen.
Mal sind wir Gott näher und
mal weiter von ihm entfernt. Dafür ist sogar ein starker Johannes der Täufer
ein Vorbild im guten Sinne. Dort im Gefängnis ist er unsicher geworden und hat
Zweifel. Ganz zu Beginn, als er Jesus taufte, war er sich noch sicher, dass
Jesus der sei, auf den alle gewartet hatten. So ist Glaube wohl immer: Mal
sicher und mal unsicher, mal tragend und mal fragend. Und gerade die Fragen
sind so wichtig.
Trotzdem braucht unser Leben
auch Entscheidungen. Wir können nicht ewig zögern und zaudern. Wir hätten nie
einen Beruf, einen Partner, eine Wohnung. Und wir hätten nichts, woraus wir
leben können, wofür wir einstehen und woran wir glauben können im Leben und im
Sterben. Johannes hat die Menschen zur Umkehr gerufen und damit zur
Entscheidung. Er hat schwere Zeiten des Fragens und Zweifelns kennen gelernt.
Und er hat uns damit Mut gemacht, uns für einen Glauben und einen Gott zu
entscheiden, der Fragen und Zweifel zulässt. Diese Entscheidung für Jesus lässt
uns Mensch sein, nein, sie lässt uns Mensch werden. Sie lässt uns Raum und gibt
uns doch einen tragenden Grund und Halt im Leben.
Ein solcher Glaube kommt nur
aus der Offenheit und er bewahrt uns Offenheit. Möge Gott uns gute
Entscheidungen schenken, spannende Fragen und tragfähige Antworten.
Und der Friede Gottes, der
höher steht als alle unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in
Jesus Christus. AMEN.
Pfarrer Lars Kunkel
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